Wie CAN SIC Transceiver die Signalqualität verbessern
Das serielle CAN-Kommunikationssystem ist seit mehr als 30 Jahren nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch in der Industrieautomatisierung etabliert. Der steigende Automatisierungsgrad der letzten Jahre führte zu höheren Anforderungen an den Datendurchsatz.
Neue Evolutionen des CAN-Bus-Protokolls – CAN FD und CAN XL - liefern hierzu Lösungen, indem sie höhere Bitraten in der Datenphase erlauben. Die in CAN-Anwendungen bisher üblichen und häufig realisierten Topologien mit vielen Abzweigungen führen bei höheren Bitraten jedoch zu Problemen (siehe Abbildung 1). Lange unterminierte Stichleitungen verursachen starke Reflektionen insbesondere beim Übergang vom dominanten zum rezessiven Signalpegel (Siehe Abbildung 3). Eine mögliche Lösung dafür ist die konsequente Umsetzung einer gestreckten Leitungsführung von Knoten zu Knoten mit der Vermeidung von langen Stichleitungen ohne Terminierung (siehe Abbildung 2). Das geht jedoch mit einem erhöhten Verkabelungsaufwand und längeren Bussen einher. Insbesondere in der Automobilindustrie ist das ein „No Go“.
Grundlagen der verlustfreien Arbitrierung
Ein wesentliches Merkmal des CAN-Bus ist die verlustfreie Arbitrierung um den Bus. Es werden keine Knoten adressiert, sondern Daten erhalten eine ID, die implizit eine Priorität beinhaltet und beim gleichzeitigen Senden mehrerer Knoten darüber entscheidet, welches Datenpaket den Vorzug erhält. Dabei werden nur Pakete niedrigerer Priorität überschrieben – das Paket mit der höchsten Priorität erhält ohne weitere Verzögerung den Bus-Zugang. Es gibt keine Unterbrechungen oder Wiederholungen, was unter anderem die Echtzeitfähigkeit von CAN ausmacht.
Erreicht wird das durch rezessive und dominante Bits. Dominante Bits werden mit einer Quellimpedanz von ca. 50 Ω gesendet. Bei rezessiven Bits wechselt die Impedanz zu ca. 60 kΩ. Der Buspegel und die Flankensteilheit der Signale werden dann durch die Busabschlüsse und die Leitungskapazität des Netzwerkes bestimmt. Dies erlaubt das Überschreiben der rezessiven Bits durch dominante Bits anderer Sender. Relevant ist dieser Mechanismus nur in der sogenannten Arbitrierungsphase des CAN-Datenframes. In der späteren Datenphase gibt es dann nur noch einen Sender im Netzwerk.
CAN-SIC Transceiver mindern Reflektionen
Der Wechsel der Quellimpedanz auf ca. 60 kΩ beim Senden rezessiver Bits stellt eine starke Fehlanpassung gegenüber dem Wellenwiderstand des CAN-Netzwerkes von ca. 120 Ω dar und ist somit einer der Gründe dafür, dass es zu den oben erwähnten starken Reflektionen kommt. Das Einschwingen dauert je nach Topologie unter Umständen so lange, dass es die Bitzeit der höheren CAN FD- oder CAN XL-Bitraten deutlich überschreitet und zu fehlerhaftem Datenempfang führen würde.
SIC (signal improvement capability) Transceiver für CAN zielen mit ihren Verbesserungen genau auf diese Fehlanpassung. Indem sie beim Beginn des Sendens eines rezessiven Bits nicht sofort in den hochohmigen Zustand wechseln, sondern für eine bestimmte festgelegte Zeit den Pegel mit einer Quellimpedanz von ca. 100 Ω treiben, wird der größte Teil der Reflektionen eliminiert. In Abbildung 3 und 4 ist der Vergleich mit und ohne CAN SIC-Transceivern dargestellt.
Die CAN SIC-Transceiver-Spezifikation
Die Anforderungen an CAN SIC-Transceiver, die ursprünglich im Dokument CiA 601-4 festgelegt waren, sind nun in der Norm ISO 11898-2:2024 festgeschrieben. In diesem Standard wird die sogenannte aktiv rezessive Zeit – also das aktive Treiben des eigentlich rezessiven Pegels - auf maximal 530 ns festgelegt. Diese Zeit ist länger als die Bitzeit der höheren Bitraten bei CAN FD und CAN XL. Bei alternierenden Pegeln in der Datenphase wechselt der Transceiver dann vom aktiv rezessiven Zustand ggf. sofort in den dominanten Zustand, d.h. das Senden von hohen Datenraten erfolgt fast ausschließlich mit einer niedrigen Impedanz. Die CAN SIC-Transceiver- Spezifikation setzt sich in diesem Zusammenhang auch mit der EMV-Problematik auseinander, die hier aber nicht weiter betrachtet werden soll.
CAN SIC-Transceiver sind eine andere mögliche Lösung, um höhere Datenraten zu erreichen. Dies jedoch ohne die Topologie zu ändern. Allerdings erreicht man die höheren Datenraten nur in der Datenphase der CAN-Datenframes, in der Arbitrierungsphase gibt es Einschränkungen.
Die Grenzen von SIC-Transceivern
Tabelle 14 in ISO 11898-2:2024 spezifiziert die maximalen Laufzeiten, welche die erreichbaren Buslängen in der Arbitrierungsphase begrenzen. Demnach ist die maximal erreichbare Bitrate in der Arbitrierungsphase für CAN SIC-Transceiver auf 727 kbit/s begrenzt. Die dabei noch erreichbare Buslänge beträgt unter der Annahme einer Laufzeit von ca. 5 ns/m gerade noch 5 m. Für 500 kbit/s beträgt die umgerechnete erreichbare Buslänge 53 m.
Gegenüber den bisherigen Empfehlungen der CiA für CAN HS- und CAN FD-Transceiver (100 m bei 500 kbit/s) stellt dies eine erhebliche Einschränkung dar. Eine Arbitrierungsbitrate von 1 Mbit/s ist nicht mehr möglich.
2. Gemäß der CAN-Spezifikation findet eine kontinuierliche Nachsynchronisation aller Knoten im Netzwerk statt. Dazu werden die rezessiv zu dominanten Flanken der CAN-Frames benutzt. Knoten A hat gerade erfolgreich einen CAN Frame gesendet. Die Knoten D, E und F haben sich mit diesen steigenden Flanken des letzten CAN Frames auf die Zeit T1 synchronisiert.
3. Die Zeit T1 hat gegenüber der Zeit T0 am Knoten A einen Versatz, der sich aus den Signallaufzeiten begründet.
Der Versatz gegenüber der Zeit am Knoten A liegt bei Ausnutzung der maximalen Spezifikationen für Signallaufzeiten (siehe Tabelle 14 in ISO 11898-2:2024) bei 2x 45 ns (internal delays) + 80 ns (transmitter delay) + 110 ns (receiver delay) = 280 ns plus die Laufzeit auf dem Kabel.
4. Innerhalb des nächsten Frames möchten Knoten A, D und F ein rezessives Bit senden. Knoten E möchte dominant senden.
5. Gemäß Tabelle 18 in ISO 11898-2:2024 senden Knoten A, D und F das rezessive Bit für eine maximale Zeit (signal improvement time TX-based tSIC_TX_base ) von 530 ns aktiv rezessiv.
6. Übliche CAN-Transceiver (CAN high-speed transceivers) senden den dominanten Pegel mit einer Quellimpedanz von 50 Ω. Der aktiv rezessive Pegel wird mit einer Impedanz von 100 Ω gesendet. Geht man davon aus, dass es neben Knoten D und F noch weitere Knoten gibt, die sich auf T1 synchronisiert haben und diese auch aktiv rezessiv senden, werden sich deren Impedanzen parallelschalten. Dann wird sich der dominante Pegel frühestens nach 530 ns durchsetzen.
7. Für einen korrekt funktionierendes CAN-Netzwerk muss der dominante Pegel in der Arbitrierungsphase auch vom Knoten A vor seinem Samplepoint gesehen werden. Knoten A eilt dem Knoten E zeitlich um 280 ns plus Kabellaufzeit voraus. Dazu kommt die Signallaufzeit von Knoten E zu A.
8. Daraus abgeleitet lässt sich folgende Ungleichung
aufstellen, mit der sich die Werte der Tabelle 1 errechnen lassen.
Die Samplepoints in der Tabelle 1 wurden für eine bessere Vergleichbarkeit so gelegt, dass sich exakt die Werte der Tabelle 14 in ISO 11898-2:2024 ergeben. Ein Samplepoint von 99 % bei 1 Mbit/s ist unrealistisch, zeigt aber, dass selbst damit keine sinnvolle Lösung mehr möglich ist.
Wie bereits beschrieben gelten diese Einschränkungen nur für die Arbitrierungsphase. In der Datenphase gibt es immer nur einen Sender. Der korrekte Pegel liegt somit sofort – ohne mögliche Kollision in der aktiv rezessiven Phase von 530 ns Länge – am Netzwerk an.
In der Kalkulation nicht berücksichtigt sind die Oszillatortoleranzen, da diese bei den heutzutage verwendeten üblichen Oszillatoren keine gravierende Rolle mehr spielen. Für die Berechnung der möglichen Topologien mit individuell angepassten Werten bietet die CiA unter dem Namen „601_4_calculator_propagation_delay_for_can_sic_transceivers.xlsx“ ein entsprechendes Tabellenkalkulationstool an (derzeit in Überarbeitung).
Fazit
CAN SIC-Transceiver bringen eine deutliche Verbesserung der Signalqualität in nicht optimalen CAN-Bus-Topologien. Dies wird jedoch erkauft durch Einschränkungen bei den maximalen Leitungslängen und den Bitraten in der Arbitrierungsphase. Die bisherige Rückwärtskompatibilität der CAN FD-Kommunikation zu CAN CC (classic) in Bezug auf die Arbitrierungs-Bitrate bleibt beim Einsatz von CAN SIC-Transceivern nur für Bitraten unterhalb 727 kbit/s erhalten.
Bitte kontaktieren Sie unser Sales Team bei weiteren Fragen zu SIC Transceivern oder in Bezug auf Anforderungen durch Ihre Applikation, die den Einsatz spezieller Lösungen erfordern.
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